Was ist „Leben“?
Zur metaphorischen Rahmung eines grundlegenden biologischen Konzepts in der Systembiologie
Abstract
Die erfolgreiche Analyse des menschlichen Genoms und anderer Genome in den vergangenen zwei Jahrzehnten führte zu einer methodischen Wende in den Lebenswissenschaften. Die Entwicklung von so genannten omics Ansätzen versucht nicht mehr nur Gene abzubilden, sondern zielt nun darauf ab, Gentranskriptionen und Proteinewege dynamisch zu erfassen. Die Systematisierung, Interpretation und Integration dieser neuen Daten in die Biologie machte einen Systemansatz notwendig, der jenseits linearer oder molekularbiologischer Konzepte ein interaktiveres Verständnis von Stoffwechsel- und Lebensprozessen favorisiert. Ausgehend von dieser Entwicklung untersucht der vorliegende Beitrag die wissenschaftlich metaphorische Rahmung des Lebensbegriffs durch deutsche Systembiolog*Innen. Die empirischen Ergebnisse zeigen, dass ein Konglomerat aus wissenschaftlich, technologisch und soziokulturell motivierten Metaphern den abstrakten Lebensbegriff konzeptualisiert. Diese metaphorische Systematik ist im Kontext eines ‚kritischen Metaphernassessments‘ von besonderem Wert, da durch die kritische Analyse implizite Vorannahmen im metaphorischen Denken über grundlegende wissenschaftliche Konzepte offengelegt und thematisiert werden können.