CfP Ausgabe 10: Forschung mit Wirkung? Von Transdisziplinarität bis Citizen Science im gesellschaftlichen Kontext
Klimawandel, soziale Ungerechtigkeit, Digitalisierung und politische Polarisierung – in einer Zeit tiefgreifender gesellschaftlicher Umbrüche und globaler Herausforderungen wächst die Bedeutung einer Forschung, die nicht nur technologische, soziale und ökologische Probleme einer Gesellschaft bespricht, sondern diese Gesellschaft auch aktiv in einen Lösungs- und Forschungsprozess einbezieht (dazu beispielsweise Hochschulrektorenkonferenz 2018). So zielen Forschungskonzepte wie Reallabore, Science Diplomacy oder Citizen Science auf eine Integration außerwissenschaftlicher Akteur:innen, während „Lai:innen“ in beteiligenden Forschungsdesigns zu Ko-Forschenden werden (sollen). Derweil ergänzen deutsche Hochschulen seit den 2000er-Jahren ihre Aufgaben der Forschung und Lehre um eine dritte, eine Third Mission: den Transfer wissenschaftlichen Wissens zur und die Kommunikation mit der Gesellschaft, um besagte Herausforderungen anzugehen, Ressourcen zu bündeln und um – besonders im Fall ‚drittmittelrelevanter‘ Forschung – Finanzierungen zu sichern.
Die kommende Ausgabe von diskurs widmet sich diesen zentralen Fragen und lädt Beiträge ein, die sich theoretisch und/oder empirisch mit folgenden Themenbereichen auseinandersetzen:
I) Das Verhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft
Welche Rolle spielen Wissenschaften im Kontext gesellschaftlicher Herausforderungen? In welchem Maß ist wissenschaftliche Legitimität heute mit Bürger:innenbeteiligung verknüpft? Wie entscheidend ist es, dass Wissenschaften nicht nur Wissen generieren, sondern aktiv auf die gesellschaftlichen Bedarfe eingehen (Schmohl & Philipp 2021)? Sind Wissenschaften ohne Einbindung der Gesellschaft überhaupt noch glaubwürdig? Welche Rolle kommt wiederum der Gesellschaft beim Festlegen von Forschungsvorhaben und -bedarfen zu? Wie verändert sich dieses Verhältnis in Zeiten zunehmender Wahlerfolge populistischer Parteien? Und wie wandelt sich wissenschaftliches Wissen hinsichtlich Anspruch und Gehalt, wenn es in transdisziplinären Zusammenhängen entsteht und zirkuliert (Haraway 1988)?
II) Methoden und Standards der partizipativen Forschung
Die Schnittstelle zwischen wissenschaftlichem Wissen und Bürger:innenkompetenz birgt besondere Herausforderungen, insbesondere im Kontext komplexer Problemstellungen. Welche Methoden fördern eine nachhaltige Beteiligung von Lai:innen am Forschungsprozess, und wie lässt sich die Qualität solcher Projekte sichern? Welche Auffassungen von Beteiligung und Engagement liegen diesem Vorgehen zu Grunde? Wann können derartige Projekte ihren emanzipativen Anspruch tatsächlich einlösen (Flick & Herold 2021)? Welche Ansätze können den Austausch zwischen Expert:innen und Lai:innen stärken? Wie lassen sich wissenschaftliche Standards in partizipativen Projekten wahren?
III) Technologische Innovationen als Brücke zwischen Wissenschaft und Gesellschaft
Die Digitalisierung eröffnet neue Möglichkeiten für Citizen Science und transdisziplinäre Forschung. Digitale Plattformen ermöglichen es Bürger:innen, sich aktiv an Forschungsprozessen zu beteiligen und tragen so zur Demokratisierung der Wissenschaft bei (Defila & Di Giulio 2019). Welche digitalen Werkzeuge fördern die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Gesellschaft? Welche neuen Möglichkeiten der Zusammenarbeit ergeben sich durch künstliche Intelligenz? Welche ethischen und datenschutzrechtlichen Herausforderungen bringt digitale Partizipation mit sich?
IV) Die Politizität wissenschaftlicher Forschung
Wissenschaft und Politik sind eng verflochten, nicht nur, wenn Forschungsergebnisse gesellschaftliche und politische Konsequenzen haben. Inwieweit darf oder sollte eine beteiligende Wissenschaft politisch sein und welches Verständnis von Politik liegt solchen Vorhaben zugrunde? Welche Rolle spielen gesellschaftliche Werte und Verantwortung in der Forschung, und wie beeinflusst dies die Forschungsagenda (Wright et al. 2008)? Inwiefern kann eine beteiligende Forschung von politischen Akteur:innen vereinnahmt werden, und welche Auswirkungen hat dies vor dem Hintergrund der im Grundgesetz begründeten Wissenschaftsfreiheit?
Einreichung von Beiträgen
Beiträge können ab sofort bis zum 1. August 2025 eingereicht werden. Verwenden Sie für Ihre Einreichung bitte die Funktion auf unserer Webseite https://journals.uni-due.de/diskurs/about/submissions.
Bei Fragen steht Ihnen unser Redaktionsteam gerne zur Verfügung: diskurs-redaktion@uni-due.de. Einreichungen sollten maximal 50.000 Zeichen umfassen. Weitere Hinweise zur Formatierung finden Sie unter https://journals.uni-due.de/diskurs/libraryFiles/downloadPublic/1.
Literatur
Defila, Rico; Di Giulio, Antonietta (2018): Transdisziplinär und transformativ forschen. Eine Methodensammlung. Wiesbaden: Springer VS.
Flick, Sabine; Herold, Alexander (2021): Zur Kritik der partizipativen Forschung. Eine Einleitung. In: Flick, Sabine; Herold, Alexander (Hg.): Zur Kritik der partizipativen Forschung. Forschungspraxis im Spiegel der Kritischen Theorie. Weinheim; Basel: Beltz Juventa, S. 7–16.
Haraway, Donna (1988): Situated Knowledges: The Science Question in Feminism and the Privilege of Partial Perspective. In: Feminist Studies 14, 3, S. 575–599.
Hochschulrektorenkonferenz (HRK) (2018): Für eine Kultur der Nachhaltigkeit. Empfehlung der 25. HRK-Mitgliederversammlung vom 06.11.2018. https://www.hrk.de/positionen/beschluss/detail/fuer-eine-kultur-der-nachhaltigkeit.
Schmohl, Tobias; Philipp, Thorsten (2021): Transdisziplinäre Didaktik. Eine Einführung. In: Schmohl, Tobias; Philipp, Thorsten (Hg.): Handbuch Transdisziplinäre Didaktik. Bielefeld: transcript, S. 13–24.
Wright, Michael; Block, Martina; von Unger, Hella (2008): Partizipation in der Zusammenarbeit zwischen Zielgruppe, Projekt und Geldgeber. In: Das Gesundheitswesen, 70, S. 748–54.